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walk down memory lane



Die Dielen knarzen unter meinen Füßen, die Leiter zum Dachboden wackelt und biegt sich. Ich schiebe die eingedellte Pappkiste beiseite. In staubdurchrieseltem Licht taucht ein längst vergessenes Spielzeug auf. Ich schüttle vorsichtig den Staub ab, nehme den Zipfel meines Hemds und poliere die stumpfe Oberfläche so gut wie möglich blank. Weich schmelzend zerfließt der Kunststoff in meinen Händen und mit ihm zerrinnt die Erinnerung, sie verpufft im Äther der Kurzlebigkeit meines Gedächtnisses. Erinnertes überlagert sich mit geprägten Bildern und schichtet sich zu einem undurchdringbaren Konglomerat an Eindrücken. Verlorenes Gesicht. Nimm mich an die Hand. Und weg.


Blitzblank aufpoliert blicken einem Robert Sturmhoevels herausgelöste Spielsachen entgegen, platziert sind sie auf einem monochromen, pastelligen oder dunklen Bildgrund. Ausgelöst und abgerieben zeigen sich die Facetten einer liebevoll herausgerissenen Auswahl an Spielsachen vergangener Zeiten. Robert Sturmhoevel greift die materielle Kultur der Spielsachen auf und stellt das Objekt in den Mittelpunkt der Betrachtung. Losgelöst von den Grenzen der Leinwand schwebt das Erinnerungsfragment der Flashbacks frei. Ausschließlich ein farbiger Schlagschatten, der durch einen markanten Pinselstrich geführt ist, ebnet das Objekt in einen gewissen Umraum. Die glänzende Oberfläche der Malerei verbindet sich mit einer rostigen Kruste oder schmierigem Dreck, der sich auf den Objekten niedergelassen hat. Die idealisierten Werte des materiellen Objekts ‚Spielzeug‘ werden aufgelöst und in eine zeitliche Dimension der Benutzung sowie des Stillstands manövriert. Abgeriebenes und Poröses wird entstaubt, repariert und aus seinem ursprünglichen, nicht bekannten Kontext distanziert. Imaginierte Rückblicke an die Kindheit werden hervorgeholt und mit idealisierten Illusionen angefüllt. So erinnert man sich vielleicht zurück an den alten Kreisel, mit dem man gerne gespielt hat; oder kramt in alten Kisten, in denen das Leben und die Wünsche noch anders zu sein schienen.


Formal erscheinen die Flashbacks reduzierter als die vorangegangene Arbeitsserie der Zielscheiben, da sie  sich aus dem Kontext des malerischen Bildgrunds lösen, sich von deren Komposition abheben und die materielle Kultur des Spielzeugs für sich stehen lassen und präzisieren. Die Zielscheiben geben fragmentarisch Einblick in die Erzählungen. Die Stofflichkeit der meist in Kombination mit kindlichen oder rein malerischen Auszügen verstrickten Einzelelemente enthält nicht selten auch häusliche Bezüge. Farben und Kleckse aus den Zielscheiben tauchen in den Mustern der narrativen Arbeiten wieder auf. Im Gegensatz zu den Flashbacks wird hier viel mehr auf malerische Ereignisse eingegangen. Durch die Kombination verschiedener Inhalte verdeutlichen sich die Verknüpfungen und Schichtungen der Erinnerung. Bei den Flashbacks liegt das Augenmerk klar auf der auszulösenden Reminiszenz und einer kompletten Kontextablösung des Objekts.


Das Ding „Spielzeug” kann zeitlich wie räumlich mit vergangenen Situationen oder Emotionen verknüpft werden - Erwartungen an die einst dagewesene Zukunft, eine Projektion auf das jetzige Selbst, die eingetroffene Realität, sowie enttäuschte oder erreichte Wünsche und die Rückerinnerung an die damalige Denke durchmischen sich mit der abgebildeten Gegenwart. So weichen die Zielscheiben und Flashbacks wieder den Situationen und Räumen der größeren Formate, verloren in der Erinnerung eines alten Fotos aus dem Familienalbum.


Immer wieder lassen sich Verweise und Verbindungen in Robert Sturmhoevels Arbeitsweise erkennen. Nostalgisch anmutende, in charakteristisch pastelligen Farbtönen angelegte Kombinationen verkitschter Szenen werden mit sich stetig wiederholenden Mustern und Reliefs einer verfallenen häuslichen Umgebung hinterlegt. Streifen, Muster und verschiedenste Bildelemente sind den kleineren Serien entlehnt. Situationen in Altrosa und Türkis werden mit matschigem Rotbraun kombiniert. Vor der gealterten sich abblätternden Tapete befindet sich isoliert stehend die Abbildung eines Kindes. Durch die Alterung des Umfelds entwickelt sich eine zeitliche Komponente, die  eine vermeintlich unheimliche Gegenwart des Raums und die Vergangenheit der Abbildung des Kindes vereint. Ein Lichtstrahl fällt von außen hinein. Die Figur steht allein im Raum. Das Gesicht ist verschattet. Keine Erhellung. Das einfallende Licht verbindet Innen- und Außenraum miteinander und schlägt eine Brücke zwischen Gegenwärtigem, Zukünftigem und längst vergangenen Lebenszyklen. Durch die Verwendung ähnlicher Arbeitsweisen und Inhalte baut Robert Sturmhoevel eine unheimliche Nähe zwischen den Objekten der maroden Flashbacks und den kindlichen Figuren im Raum auf.


In sentimentaler Nostalgie haftet man an den ambivalenten Bildwelten. Es entfaltet sich ein karamellglasiertes Leporello aus glänzend lasiertem Firnis. Es trägt uns in Illusionen der Kindheitserinnerung hinein. Unser walk down memory lane eröffnet sich in einem weitgefächerten, klar reduzierten Bildrepertoire der Gemälde, zurück zu verwaschener Erinnerung an die idealisierte Kindheit - angelehnt an Objekte und Orte, die so niemals existierten.



Rosa-Violetta Grötsch, 2013

    

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